Gleichstrom versus Wechselstrom
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21.12.2020

VDE Symposium 2020 - Gleichstrom in der Energieversorgung - Renaissance oder Phantasie?

Der VDE Bezirksverein Thüringen führt bereits seit 18 Jahren alljährlich ein Symposium zu jeweils ausgewählten Fachthemen der elektrischen Energietechnik und Energieversorgung durch. In diesem Jahr 2020 stand das Thema "Gleichstrom in der Energieversorgung - Renaissance oder Phantasie?" auf der Agenda. Warum gerade jetzt?

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VDE-Bezirksverein Thüringen e.V.

Die Energiewende tritt in den nächsten Jahren in ein neues Stadium ein:

A: Übergang zu einer mehrheitlich dezentralen Versorgung mit erneuerbaren Energien, die über Gleichstromsysteme am Wechselstromnetz angeschlossen sind

B: immer mehr neue Versorgungsaufgaben mit Verbrauchern, die direkt Gleichstrom benötigen (z. B. Batterien für Elektroautos, Beleuchtung, Elektronik)

C: Als Netzelemente gestatten Gleichstromkomponenten in spezifischen Anwendungsfällen eine mitunter bessere Steuerung von Lastflüssen sowie einen Beitrag zur künftigen Erbringung von Systemdienstleistungen (SDL) – letzteres ist v. a. zunehmend bedeutsam durch den Rückbau von konventioneller Kraftwerkskapazität infolge des Kohleausstieges. Gegenwärtig werden in Deutschland die ersten HGÜ-Systeme zur Überbrückung großer Distanzen im Übertragungsnetz geplant. Da stellte sich für ca. 90 interessierte Teilnehmer des am 12. November stattgefundenen Symposiums sogleich die Frage, ob nicht auch in den unterlagerten Netzebenen die Implementierung von Gleichstromtechnik dazu beitragen kann, dort die Übertragungskapazität und die Effizienz der Stromversorgung zu steigern.

Effizientere Stromübertragung

Schulterblick 1

Prof. Rik De Doncker (RWTH Aachen) bei seinem Vortrag über Gleichstromversorgung im MS- und NS-Netz

| VDE Thüringen e.V.

Diese Frage konnte der erste Vortragende, Herr Prof. Rik De Doncker (RWTH Aachen) eindrucksvoll bejahen und bspw. anhand aktueller Projekteam am Forschungscampus der RWTH darstellen, dass gerade bei stark ausgelasteten Mittelspannungsnetzen durch den Aufbau von Backbone-Verbindungen eine Verbesserung der Übertragungskapazität um bis das Zweifache sowie eine bessere Steuerung von Lastflüssen erreichbar ist. Die Schlüsseltechnologie dafür bilden DC/DC-Converter, welche in den letzten Jahren eine technische Entwicklung erfahren haben und aufgrund ihres geringen Platzbedarfes im Vergeich zu konventionellen 50-Hertz-AC-Transformatoren gegebenfalls auch den Einbau in bestehende Stationen und Schaltanlagen gestatten könnten.

Herausforderung Fehlererkennung

Ein zweiter Vortrag von M. Sc. Wang, ebenfalls RWTH Aachen, brachte die erleichternde Erkenntnis, dass es im Rahmen seiner Forschungsarbeit offenbar gelungen ist, ein selektives Fehlererkennungsverfahren zu entwickeln und am Forschungscampus der RWTH zu erproben, welches die sichere Detektion und Abschaltung von kurzschlussbehafteten Kabeln und Leitungen im MS/NS-Netz gestattet und auch sicher identifiziert, ob es sich wirklich um einen Kurzschluss handelt oder nur um einen (dann nicht abzuschaltenden) Lastabwurf.

Lastausgleich durch Kopplung und Materialkunde

Schulterblick 2 (2)

Referent M.Sc. Karsten Fuchs (TU Ilmenau) während seines online übertragenen Vortrages

| VDE Thüringen e.V.

Ein dritter Vortragskomplex widmete sich der Analyse möglicher Gleichstromkopplungen mehrerer realer 110-kV-Verteilnetze zur besseren Integration von erneuerbaren Energien bei asynchroner regionaler Verteilung, deren zeitlicher Einspeisung und des regionalen Netzbezugslastbedarfes. Hierzu wurden von Herrn Dr. Schlegel (TU Ilmenau) und Herrn Dr. Malsch (p & m Consulting Erfurt) konkrete Ergebnisse von Netzberechnungen vorgestellt und durch Herrn Kuhn (Siemens, Erlan-gen) die für eine Umsetzung in der Netzebene 110 kV angepasste Converter-Stationstechnik inklusive deren mögliche Platzierung in reale Umspannwerkskonfigurationen dargestellt. Abgerundet wurde das Symposium durch einen Vortrag von Herrn M. Sc. Fuchs (TU Ilmenau) zum spezifischen Alterungsverhalten von AC-Kabeln unter DC-Belastungen. Ziel dieser Untersuchungen sind Erkenntnisse darüber, was zu beachten ist, wenn man Bestandsnetze auf Gleichspannung umstellt, ohne gleich alle Kabel austauschen zu wollen.

Veranstaltungsleitung

Veranstaltungsleitung: Tobias Nachtwey, Ronald Küfner, Dr. Matthias Sturm (von links nach rechts)

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Die Leitung des erstmalig als Web-Konferenz durchgeführten VDE Symposiums, bei der auch zahlreiche Teilnehmer der VDE Region Mitteldeutschland eingeloggt waren, erfolgte durch den Vorstandsvorsitzenden des VDE BV Thüringen, Herrn Dipl.-Ing. (FH) Küfner und die Vorstandsmitglieder Herr Dr. Sturm und Herr Dipl.-Ing. Nachtwey. Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Infektionen musste das diesjährige Symposium als Webkonferenz stattfinden. Die Teilnehmer konnten sich über einen Link in die Veranstaltung einwählen und am PC, Tablet oder Smartphone die Folienvorträge verfolgen oder einfach per Telefon als Zuhörer dabei sein. Dank einer guten Vorbereitung und einem Testmeeting klappte diese Variante reibungslos. Mit mehr als 80 Teilnehmern stieß das Thema der Gleichstromnetze auf ein sehr großes Interesse. So reibungslos, wie die Veranstaltung lief, so hoffen wir im nächsten Jahr darauf, das Symposium wieder als Präsenzveranstaltung durchführen zu können. Denn neben der Wissensvermittlung sind die persönlichen Gespräche der Fachleute und die Präsentationen der Fachfirmen ein tragendes Element der Zusammenarbeit. Der Vorstand dankt allen Teilnehmenden, den Referenten und allen Unterstützern dieses erfolgreichen Symposiums.