Angeregte Diskussion zu weiteren Fragen nach den Vorträgen
Dieter Gruner
27.02.2014 Bautzen/Staatliche Studienakademie Veranstaltungsrückblick

Symposium am 22. und 23. September 2015

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Dipl.-Ing. Andreas Schulz

Die Energiewende findet statt und sie wirkt sich in der Netzführung auf allen Spannungsebenen aus. Systemsicherheit und Netzstabilität und die damit verbundenen technischen und organisatorischen Aufgaben gewinnen stetig an Bedeutung. Gemeinsam arbeiten Energieversorger und Forschungseinrichtungen an neuen Systemdienstleistungen. Aber auch Marktthemen wie die Direktvermarktung haben zunehmend Einfluss auf die Netzführung.

Diese Prozesse, die zunehmende Automatisierung des Mittelspannungsnetzes sowie der Aufbau intelligenter Messsysteme spiegeln sich in den immer komplexer werdenden informationstechnischen Lösungen wider. Dies stellt hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit, an die Mitarbeiter in den Leitstellen und nicht zuletzt an die Hersteller der Leit-, Schutz- und Fernwirktechnik.

Auf dem Gebiet der Software-Entwicklung werden neue Wege beschritten, um die in immer kürzeren Zeiträumen gestellten neuen oder geänderten Anforderungen zu erfüllen.

Auch 2015 haben wir mit ausgewählten Vorträgen zu den aktuellen Themen eine Basis für vertiefende Fachgespräche und den Austausch von Informationen und einen Blick in die nahe Zukunft geboten.

Zusammenfassung von Sebastian Köthe M. Eng.:

Am 22. und 23. September 2015 fand in Bautzen das „Symposium Netzleit- und Informationstechnik“ als 10. gemeinsame Veranstaltung der Arbeitskreise „Netzleittechnik“ im BV Dresden und „Informationstechnik“ im BV Thüringen statt. Die jährliche Veranstaltung wechselt den Tagungsort zwischen Sachsen und Thüringen. Diesmal war die Tagungsstätte die in Bautzen ansässige Staatliche Studienakademie. Die Ausgestaltung des Symposiums wurde traditionell in enger Zusammenarbeit der beiden Arbeitskreise durchgeführt, wobei die diesmal „ortsansässigen Dresdner“ natürlich die Hauptlast zu bewältigen hatten. Die langjährige Partnerschaft beider Arbeitskreise hat sich insbesondere bei den organisatorischen Herausforderungen und der Referentengewinnung wiederholt positiv ausgewirkt. So konnten für das zweitägige Symposium erneut bedeutende Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen IT-Sicherheit, Forschung, Verteil- und Übertragungsnetzbetrieb sowie seitens industrieller Partner gewonnen werden.

Nach dem Grußwort von Frau Prof. Dr. Barbara Wuttke, der Direktorin der Berufsakademie, stand der erste Tag unter dem Thema "IT-Sicherheit & Systembetrieb". Gewiss steigen die Anforderungen an einen störungsfreien Betrieb der primär- und sekundärtechnischen Komponenten permanent an. Was sich jedoch im vergangenen Jahr ankündigte und 2015 im Rahmen des IT-Sicherheitsgesetzes beschlossen wurde, hat einen massiven Eingriff in die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur aller deutschen Netzbetreiber zur Folge. Herr Robert Grey von der ABB AG brachte Ordnung in den „Dschungel der IT-Sicherheitsrichtlinien“ und Herr Dr. Jörg Benze von der T-Systems Multimedia Solutions GmbH referierte zum Stand der Standardisierung und Normierung innerhalb des VDE. Frau Juliane Mathes von der WEMAG AG verwies auf die kommenden Herausforderungen für die Netzbetreiber aus Sicht einer Informatikerin. Dass ein Informationssicherheits-Managementsystem nicht nur eingeführt, sondern auch permanent aufrechterhalten werden muss, war spätestens ab hier jedem Zuhörer klar. Die beispielhaft genannten Sicherheitsschwachstellen in Industrie-Steuerungen waren teils amüsant aber erschreckend zugleich.

Herr Prof. Dr.-Ing. Ludwig Niebel von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena zeigte mit „Bausteinen einer sicheren Datenübermittlung“ erste Lösungsansätze auf. Verschlüsselung allein ist eben nicht ausreichend. Die gewählten Verfahren und Schlüssellängen sowie ein durchdachtes Zertifikatsmanagement etablieren erst ein adäquates Maß an Sicherheit. Herr Steffen Grüttner von der DNV GL SE analysierte die gängigen VPN-Verfahren und bewertete diese hinsichtlich ihrer praktischen Eignung. Auch ein kleiner Exkurs in die Vorgehensweise der Datenanalyse beim amerikanischen Geheimdienst war sehr interessant. Man überdenkt sehr schnell, welche Online-Dienste oder sozialen Netzwerke man künftig noch freiwillig mit Inhalt füttert. Herr Klaus Mochalski von der Rhebo AG stellte im Anschluss ein sich in der Entwicklung befindliches Analysetool zur Anomalie-Erkennung von Datenströmen in Industrienetzen vor. Herr Stefan Messerschmidt von der PDV-Systeme GmbH referierte zum Thema Virtualisierung von Leitsystemen. Insbesondere optimalere Auslastung der Maschinen und eine verbesserte Verfügbarkeit sind die Erkenntnisse aus einem solchen, mittlerweile branchenüblichen, Vorgehen. Den Abschluss machte Frau Marita Schmidt von der MITNETZ GmbH zur Umsetzung von Einspeisemanagement-Maßnahmen. Sie bewertete diese im entsprechenden Rechtsrahmen, sodass der derzeit gültige VKU/BDEW-Praxisleitfaden gleich viel logischer erschien. Schwerpunkte des ersten Tages bildeten das IT-Sicherheitsgesetz und der für Netzbetreiber relevante IT-Sicherheitskatalog. Die Kernaussage „Sicherheit ist ein kontinuierlicher Prozess und kein Zustand“ kann man nicht oft genug wiederholen.

Der zweite Tag stand unter dem Motto "Energiemarkt, Speicher & Regelenergie". Herr Thomas Darda von der ENSO AG brachte dem Auditorium einen typischen Arbeitstag eines Stromhändlers näher. Begrifflichkeiten, wie Spotmarkt, Bilanzkreisverantwortlicher oder Direktvermarktung wurden erläutert und die entsprechenden Zusammenhänge dargestellt. Interessant war auch die zunehmende Komplexität des EEG. Herr Dr. Maximilian Rinck von der europäischen Strombörse (Europian Energy Exchange AG) referierte zu Marktdesign und Systemsicherheit. Als Produktentwickler konnte er tiefe Einblicke in das Agieren von Handelspartnern geben. Eine handelsinduzierte Gefährdung der Systemsicherheit ist bei funktionierenden Märkten nicht gegeben. Positive und negative Preisspitzen sind nicht per se schlecht, sondern bieten Anreize für neue Flexibilitätsprodukte. Endlich ein potentieller Markt für Speicher. Das ist allemal besser als erneute Subventionierungsbestrebungen. Ein durchdachtes Marktdesign unterstützt sogar die Systemsicherheit und vermeidet ungeplante Leistungsflüsse. Herr Herbert Bass von der Energy2Market GmbH referierte über das virtuelle Kraftwerk und das einhergehende „Poolen“ von Regelenergie aus dezentralen Erzeugungsanlagen. Regelenergie-Preise und der zunehmende Wert von Flexibilität wurden in den Fokus gestellt. Herr Lutz Berger von der Stadtwerke Weimar Stadtversorgungs-GmbH folgte fließend und ergänzte die Theorie am Praxisbeispiel eines Stadtwerkes. Bestehende Blockheizkraftwerke lassen sich eben nicht nur zur kommunalen Wärmeversorgung verwenden, sondern sinnvoll parallel vermarkten. Nicht nur ein Mehrwert für den Anlagenbetreiber, sondern auch für das Energiesystem.

Herr Gunter Scheibner von der 50Hertz Transmission GmbH stellte die vier Systemdienstleistungen (Frequenzhaltung, Spanungshaltung, Versorgungswiederaufbau und Betriebsführung) im Kontext von heute und morgen dar. Die Spannungshaltung und die Netzebenen übergreifenden - idealerweise koordinierten - Wirk- und Blindleistungsflüsse werden bedeutsame Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts werden. Abgerundet wurde der ausführliche Vortrag mit Praxisbeispielen, z. B. zur Sonnenfinsternis vom 20.03.2015, zum Blackout in der Türkei am 31.03.2015 sowie zu den Tornado bedingten Schäden vom 07.07. und 14.08.2015 im Übertragungsnetz am Rande von Thüringen.
Herr Dr.-Ing. Daniel Seibt von der VPC GmbH erläuterte moderne Technik für Pumpspeicherwerke. Auch hier herrschen große technische und monetäre Herausforderungen. In wie weit man künftig überhaupt noch in der Lage ist ein PSW zu betreiben, ist erschreckend ungewiss. Die geänderte Betriebsweise führt zu höherem Verschleiß bei weniger Betriebsstunden. Herr Torsten Roscher von der Thüringer Energie AG ergänzte mit einer Wirtschaftlichkeits-Analyse von Elektroenergiespeichern. Er gab einen Überblick der gängigen Technologien, der Kosten/Erlöse und bewertete mögliche Anwendungsfälle. Die Wirtschaftlichkeit ist häufig noch nicht gegeben. Insbesondere fehlt es an Langzeitspeichern, um saisonal bedingte Bedarfe auszugleichen. Herr Michael Müller von der Stadtwerke Leipzig GmbH machte den Abschluss mit einem Vortrag zum Open-Source-Projekt „OpenKonsequenz“. Der aktuelle Stand umfasst ein erstes ausgeschriebenes und in der Entwicklung befindliches Modul zum Einspeisemanagement.

Die Pausen boten reichlich Potential für vertiefende Fachgespräche und einen jederzeit interessanten Erfahrungsaustausch. Abgerundet wurde die Veranstaltung erneut durch ein begleitendes Kulturprogramm, bestehend aus einer „mittelalterlichen Stadtführung“ und dem Ausklang des Abends bei einem gemeinsamen rustikalen Abendessen im „Wirtshaus Mönchshof“. Zusätzlich bestand am Ende des zweiten Tages die Möglichkeit, die Gedenkstätte „Stasigefängnis Bautzen I“ zu besuchen.
Zusammenfassend gesagt war das „Symposium Netzleit- und Informationstechnik“ mal wieder ein großer Erfolg. Die Resonanz der 60 Teilnehmer auf die ausgewählten und brandaktuellen Themen war durchweg positiv – auch deshalb, da ein Blick über den „technischen Tellerrand“ für zusätzliche Erkenntnisse sorgte.

Der Dank gilt vor allem den beteiligten Personen um die Leiter der Arbeitskreise Dr. Marko Winkler (BV Dresden) und Andreas Schulz (BV Thüringen), welche wieder einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung sicherstellen konnten. Ich freue mich auf nächstes Jahr - dann wieder in Thüringen.

Bildergalerie Symposium

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